Das bedarfsorientierte, teilbare Eigenheim
Eine Forschungsarbeit von:
Martin Ertl, Franz Henzl, Reinhard Veit
Wien, Juli 2008
Gefördert durch das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im Rahmen des NÖ WFG - Wohnbauforschung.
(Kennzeichen: F-2145)
Niederösterreich hat nach dem Burgenland mit 94% der Wohngebäude den höchsten Anteil an Eigenheimen. Obwohl es in Fachkreisen ein Bewusstsein gibt, dass die Gesellschaft sich verändert, ist das Eigenheim mit seinem großen Flächenbedarf und den infrastrukturellen Nachteilen die beliebteste Wohnform und wird grundsätzlich in dieser Arbeit nicht in Frage gestellt. Niederösterreich wird aufgrund eines positiven Wanderungssaldos weiter wachsen, aber auch immer älter und die Haushaltsformen werden bei kürzerer Dauer immer vielfältiger. Der größte Teil an neuen Wohnungen wird daher nicht für große Familien mit Kindern, sondern für immer mehr kleine Haushalte benötigt. Dabei nimmt die durchschnittliche Nutzfläche je Haus ständig zu. Im Schnitt für eine vierköpfige Familie geplant, wird es zukünftig im Lebenszyklus von nur etwa 2,15 Personen bewohnt werden. Für Niederösterreich bedeutet dies zahlreiche ungewollt oder unbewusst leer stehende Flächen.
- 57% der bestehenden Eigenheime werden von 1 oder 2 Personen bewohnt.
- 73% der bestehenden Ein- und Zweifamilienhäuser haben mehr Zimmer, als aus der Bewohnerzahl ableitbar wäre.
- 86% mehr Energie für Heizung und Errichtung wird in Zukunft benötigt werden als bei geeigneter Auslastung.
Der ökologische Wert von Niedrigenergie- oder Passivhäusern wird halbiert, wenn diese im Lebenszyklus von nur zwei Personen bewohnt werden. Rein theoretisch könnten zusätzlich 614.837 Personen in den bestehenden Zimmern untergebracht werden. Es wurden dafür notwendige Parameter ausgemacht, die zeigen, wie bei zukünftigen Bauvorhaben Optionen für andere Nutzungen im Voraus eingeplant, gefördert und in das öffentliche Bewusstsein gebracht werden können. Dadurch werden nicht nur die Nutzungsmöglichkeiten eines Eigenheimes erweitert sondern auch dessen Wert gesteigert.
Es soll beispielsweise ein Kindertrakt ohne großen Bauaufwand in eine Einliegereinheit für einen Studenten, die Großmutter, eine private Alterspflege, eine Alleinerzieherin mit Kind oder eine Startwohnung für ein junges Paar umfunktionierbar sein. Dadurch lassen sich die individuellen, aber auch die öffentlichen Kosten von Eigenheimen reduzieren.
Bestehende Ansätze gibt es derzeit nur in Vorarlberg, wo die Teilbarkeit in die Förderung integriert ist, in Salzburg und bei einigen wenigen gebauten Beispielen. Zur nachhaltigen Umsetzung der Aufgabe müssen Maßnahmen jedoch viel weiter greifen. Niederösterreich kann hier eine Vorbildwirkung zeigen und einen Schritt vorausgehen.
Wir schlagen daher folgende Maßnahmen zur Umsetzung vor:
1. Einrichten einer Arbeitsgruppe mit den beteiligten Institutionen und Fachleuten, um die Ergebnisse der vorliegenden Forschungsarbeit in NÖ zu etablieren:
- Integration der Teilbarkeit von Eigenheimen in die NÖ-Wohnbauförderung
- Erleichterung der Vermietbarkeit und der Abteilbarkeit in drei Wohnungen in baurechtlicher, förderrechtlicher und mietrechtlicher Hinsicht
- Weiterentwicklung der Beratungsmöglichkeiten in NÖ
2. Entwicklung vorbildhafter Eigenheime
- durch einen Wettbewerb, um eine Fülle an zeitgemäßen Beispielen zu erhalten
- durch Realisierungen im Rahmen von Pilotprojekten, um eine Bandbreite an unterschiedlichen Hausgrößen, Bauformen und Szenarien als Vorzeigeobjekte zu erhalten
Es ist eine politische und öffentliche Aufgabe, hier einzugreifen, um das Thema nicht dem Zufall oder dem Engagement des Einzelnen zu überlassen und um den gesellschaftlichen Veränderungen in Zukunft gerecht zu werden.